Work-Life-Balance, neue Führungskultur, ungewöhnliche Arbeitszeitmodelle: Wenn es um betriebliches Gesundheitsmanagement geht, stehen diese und ähnliche Schlagwörter meist im Zentrum. Dabei bringt die Verbesserung der Mitarbeitergesundheit neben der Imagepflege konkrete wirtschaftliche Vorteile. Auch der Mittelstand profitiert davon.
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Image verbessern und Produktivität steigern
Finanzielle Vorteile
Über 200 Firmen befragte die AOK zum wirtschaftlichen Nutzen innerbetrieblicher Gesundheitsförderung1) – mit eindeutigen Ergebnissen: Rund 60 Prozent der befragten Unternehmen berichteten von starker Senkung bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufgrund ergonomischerer Arbeitsplätze, technischer Hilfen, besserer Kommunikation und insgesamt einer stärkeren Betonung gesundheitsbewussten Verhaltens. Ein Süßwarenhersteller mit 400 Mitarbeitern konnte so pro Jahr 320.000 Euro und ein Autohaus mit einem Personalstamm von nur 20 Angestellten immerhin 10.000 Euro sparen.
Produktivitätssteigerungen durch höhere Motivation
Ein weiterer entscheidender Wirtschaftsfaktor ist, dass die Angestellten zufriedener und gesünder sind, was ihre Produktivität erhöht. Zusammen mit den Einsparungen bei der Lohnfortzahlung lässt sich dadurch ein Return-on-Investment von 1:3 bis 1:4 erzielen, so ein Ergebnis der AOK-Befragung. Viele Mittelständler tun sich allerdings mit der Einführung passender Programme schwer. Zu groß ist die Auswahl an verschiedenen Angeboten, zu unklar die richtige Umsetzung. Abhilfe verspricht hier ein neuer, multimodaler Ansatz, der das Problem auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten von mehreren Seiten angeht.
Kosten wegen kranker Mitarbeiter sinken
Die überwiegende Mehrheit von inzwischen über 1.000 Studien zu diesem Thema weltweit bestätigt: Die Fehlzeiten sinken um 30 bis 40 Prozent und die Krankheitskosten reduzieren sich. Auch der "Präsentismus" geht zurück. Damit ist gemeint, dass Angestellte zwar am Arbeitsplatz anwesend sind, aber nichts mehr leisten oder innerlich schon gekündigt haben. Allerdings muss ein breites Angebot an Maßnahmen bereit stehen, um mit betrieblichem Gesundheitsmanagement wirklich Kosten zu sparen. Das Salatbuffet in der Kantine oder der einmalige Gesundheitstag reichen nicht.
Mitarbeiter wichtigster Wirtschaftsfaktor
Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist mehr als nur eine nette Geste gegenüber der Belegschaft oder ein Lockmittel für neue Mitarbeiter. Firmen können ihre Rentabilität dadurch erheblich steigern. So erklärte Karsten von Rabenau, Leiter des Gesundheitsmanagements beim Versandhändler Otto GmbH anlässlich der Verleihung des Corporate Health Awards 2012 in einem Interview: "Die Mitarbeiter sind das größte Potenzial und der wichtigste Wirtschaftsfaktor im Unternehmen. Die Evaluierung unserer einzelnen Maßnahmen hat gezeigt, dass sich jeder Euro lohnt – investiert man einen Euro, bekommt man mindestens drei bis acht Euro zurück."
1) Quelle: Befragung der AOK zum wirtschaftlicher Nutzen von betrieblicher Gesundheitsförderung aus der Sicht von Unternehmen. Dokumentation einer Managementbefragung in 212 Partnerunternehmen.
Beispiele für erfolgreiche Maßnahmen
Wer langfristig etwas verbessern will, kann über die Anschaffung ergonomischer Bürostühle oder Fertigungsanlagen nachdenken. Auch das Angebot von Fitnessräumen und regelmäßigen Rückenschulen hat nachhaltigen Effekt. Diesen Weg geht beispielsweise MAN Truck & Bus. Als Prävention gegen Stress hilft die Einrichtung einer medizinischen und psychologischen Betreuung, wie es etwa bei SAP der Fall ist. Darüber hinaus sind Führungscoachings mit dem Ziel angeraten, das Betriebsklima zu verbessern und einen bewussten Umgang mit der eigenen Gesundheit in der Unternehmenskultur zu verankern. Das lässt sich auch bei kleineren Unternehmen einrichten.
Gesundheitsprogramme speziell auf Mittelständler zugeschnitten
Für Konzerne gehören derartige Maßnahmen längst zum Standard. Im Mittelstand dagegen fehlen in der Regel für eigene Gesundheitsabteilungen die Kapazitäten. Stattdessen werden oft Angebote der Krankenkassen genutzt, die jedoch in den meisten Fällen nur aus einem standardisierten Programm bestehen. Diese passen allerdings nicht unbedingt zu den eigentlichen Bedürfnissen eines jeden Betriebs.
Vernetzung bringt Vorteile
"Der Mittelstand nimmt das Thema sehr ernst", erklärt Mechthild Heppe, Leiterin des Kreisverbandes Wirtschaftsregion München und bayerisches Oberland im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). "Der BVMW hat beispielsweise auf Bundesebene eine Gesundheitskommission gebildet, die mit drei aktuellen Kooperationen den Informationsaustausch zwischen Medizinern und Unternehmen weiter stärken soll." Zusätzlich werde das Thema regional durch Veranstaltungen aufgegriffen. "Dabei berichten Experten über die Wichtigkeit der betrieblichen Gesundheitsvorsorge oder neue Trends in der Medizin. Außerdem fördern Praxisbeiträge hier den Austausch miteinander."
Situation zunächst analysieren
Dennoch sind viele Geschäftsführer noch unsicher, wie Dr. Josef Oswald, Leiter des auf betriebliches Gesundheitsmanagement spezialisierten Curato Instituts, berichtet: "Was bringt das? Was kostet das? Welche Maßnahmen sind überhaupt sinnvoll? Das sind die häufigsten Fragen an uns." Um diese Fragen und eine effektive Gesundheitsvorsorge realisieren zu können, führt der Experte zunächst immer eine Analyse der Betriebssituation durch. Danach entscheidet er mit der Geschäftsleitung, wie das zuvor gesteckte Budget den meisten Nutzen bringt. "In jedem Fall hat sich aber gezeigt, dass vereinzelte Maßnahmen wenig bringen. Erfolgversprechender ist es, mehrere Punkte zugleich anzugehen."
Ein Beispiel
Ein typischer mittelständischer Betrieb hat Schwierigkeiten beim Erhalt des Fachkräftebestands, verzeichnet zudem viele Krankheitsausfälle in der Produktion und die Führungskräfte kämpfen mit Belastungsreaktionen durch hohen Arbeitsdruck. "Nach dem multimodalen Konzept würden hier sowohl Maßnahmen erarbeitet, um die Attraktivität des Arbeitgebers zu erhöhen und ältere Angestellte fit zu halten, als auch Kommunikations- und Führungscoachings angeboten, je nachdem ob der Stress von der Arbeitsmenge, dem Betriebsklima oder der Führungskultur herrührt", erklärt Dr. Oswald. "Gleichzeitig müsste von Beginn an analysiert werden, ob die Krankheitsfälle auf körperliche oder psychische Belastungen oder auch auf die Mitarbeiterstruktur zurückzuführen sind, um passende Lösungen zu entwickeln."
Nicht nur gesünder, sondern anders arbeiten
Zunehmend fordern Mitarbeiter auch flexible Arbeitsformen, die Raum zur Selbstverwirklichung lassen, wie BVMW-Kreisverbandsleiterin Heppe bestätigt: "Möchten Unternehmen im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben, müssen sie kreative und innovative Wege gehen, um leistungsfähige, engagierte Mitarbeiter zu rekrutieren, und Antworten auf unterschiedliche Erwartungshaltungen sowie Lebensentwürfe bieten, um sie zu binden." Moderne Arbeitszeitmodelle, etwa Home-Office oder eine längere Freistellung, machen Jobs attraktiver. "Um eine allgemein gültige Empfehlung auszusprechen, sei jedem Betrieb geraten, sich grundsätzliche Gedanken über einen möglichen, vielleicht auch teilweisen Einsatz solcher Modelle zu machen", meint auch Oswald. Solche Auszeiten müssten allerdings mit den Arbeitsabläufen vereinbar sein. Dann sind Betrieb und Mitarbeiter fit für die heutige Arbeitswelt.
Verhaltensänderung braucht Zeit
Das individuell angepasste Maßnahmenbündel ist die Basis für eine langfristige Wirkung des Gesundheitsprogramms, verhindert Eintönigkeit oder Langweile und sorgt so auch beim Personal für eine bessere Akzeptanz. "Wichtig ist, dass die Unternehmensleitung den Weg mitgeht und nicht zu früh nachlässt. Bewegung oder Ernährungsumstellung zeigen zwar schnelle Effekte. Die größte Wirkung geht aber von der Änderung eingefahrener Verhaltensmuster aus, und die braucht Zeit", so der Gesundheitsökonom. Mit der richtigen Strategie lässt sich auf diese Weise eine erhebliche wirtschaftliche Verbesserung erreichen.
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Zuletzt aktualisiert am 21. Januar 2015.